Was ist ein Carve-out – und warum ist er so wichtig?

Emanuel Böminghaus, Legacy System Experte, Geschäftsführer AvenDATA

Emanuel Böminghaus

Legacy System Experte
Geschäftsführer AvenDATA
Ein IT-Blick auf Unternehmensausgliederungen und Altsysteme
Wenn Unternehmen Gesellschaften oder Geschäftsbereiche verkaufen oder organisatorisch ausgliedern, spricht man von einem Carve-out. Hinter dieser nüchternen Bezeichnung verbirgt sich ein hochkomplexer technischer und strategischer Prozess – insbesondere im Hinblick auf die IT-Infrastruktur und den Umgang mit sogenannten Altsystemen.

1. Was versteht man unter einem Carve-out?

Ein Carve-out bezeichnet die Abspaltung eines Unternehmensteils – etwa einer Abteilung, Tochtergesellschaft oder Geschäftseinheit – vom Mutterunternehmen. Ziel ist die rechtliche, organisatorische und vor allem technische Verselbständigung. Der Carve-out kann durch Verkauf, Spin-off oder eine Neustrukturierung erfolgen. Gründe dafür sind etwa strategische Neuausrichtungen, Effizienzsteigerungen, die Fokussierung auf das Kerngeschäft oder auch gesetzliche/regulatorische Anforderungen.

Typische Praxisbeispiele für Carve-outs:

  • Ein Automobilzulieferer trennt sich von seinem Bereich für Verbrennungsmotorenkomponenten, um sich vollständig auf E-Mobilität zu konzentrieren. Der ausgelagerte Bereich wird an einen Finanzinvestor verkauft.
  • Ein Technologiekonzern gliedert seine Cloud-Sparte aus und bringt diese als eigenständiges Unternehmen an die Börse. Die neue Einheit erhält ein eigenes IT-System und operiert unabhängig.
  • Eine Bank muss im Rahmen regulatorischer Anforderungen ihr Privatkundengeschäft abstoßen und verkauft dieses an ein anderes Kreditinstitut. Die Kundendaten müssen dabei vollständig und DSGVO-konform aus den bestehenden Systemen überführt werden.
  • Nach der Fusion zweier internationaler Konzerne erfolgt ein Carve-out überschneidender Geschäftseinheiten, wie z. B. doppelter IT- oder Finanzbereiche, um Synergien zu realisieren.
  • Ein Pharmaunternehmen verkauft sein Pflanzenschutzgeschäft, um sich auf den Bereich der Humanmedizin zu konzentrieren. Die betreffenden Daten und Systeme werden aus dem SAP-System extrahiert und archiviert.
In allen Fällen ist ein Carve-out nicht nur ein betriebswirtschaftlicher oder rechtlicher Vorgang, sondern auch eine IT-technische Herausforderung. Systeme müssen entkoppelt, Daten getrennt und oft auch langfristig archiviert werden – insbesondere, wenn Altsysteme betroffen sind. Genau hier setzt AvenDATA mit seinem spezialisierten Know-how und zertifizierten Tools an.

2. Warum ist ein Carve-out besonders für die IT so herausfordernd?

Ein Carve-out stellt aus technischer Sicht einen hochkomplexen Eingriff in die bestehende IT-Landschaft eines Unternehmens dar – insbesondere dann, wenn es sich um historisch gewachsene Systemstrukturen mit vielen Abhängigkeiten handelt. Anders als bei einem Greenfield-Projekt, bei dem man auf der „grünen Wiese“ ein neues System aufsetzt, müssen beim Carve-out bestehende Daten, Prozesse, Schnittstellen und Anwendungen sorgfältig getrennt, migriert oder archiviert werden. Dabei lauern zahlreiche Herausforderungen:

  • Systemverknüpfungen und Schnittstellen

In modernen Unternehmen sind Systeme selten isoliert. Ein ERP-System wie SAP ist meist tief verzahnt mit weiteren Anwendungen: DMS-Systeme zur Dokumentenverwaltung, HR-Systeme zur Personalsteuerung, Buchhaltungs- und Controlling-Tools oder kundenspezifische Eigenentwicklungen. Diese Systeme kommunizieren miteinander über Schnittstellen, die beim Carve-out identifiziert, angepasst oder vollständig aufgelöst werden müssen. Wird dieser Schritt nicht sauber umgesetzt, besteht die Gefahr von Funktionsverlusten, Dateninkonsistenzen oder Systemausfällen. ermöglicht es einem Unternehmen, sich von seinem Mutterunternehmen abzuspalten, wodurch das Management-Team freigesetzt wird und es ihnen ermöglicht wird, in eine neue Richtung zu gehen. Dies kann durch den Verkauf des Geschäftsbereichs an einen externen Käufer oder durch die Ausgliederung in eine eigenständige Tochtergesellschaft erfolgen. Corporate Carve-Outs(Unternehmens-Carve-out ) werden häufig durchgeführt, um Fokus auf das Kerngeschäft zu legen, finanzielle Ressourcen freizusetzen oder den Wert des abgetrennten Geschäftsbereichs zu maximieren.

  • Datentrennung und Verantwortlichkeiten

Ein zentraler technischer Aspekt ist die Trennung der Daten – also die Frage: Welche Daten gehören zur auszugliedernden Einheit? Diese Trennung ist nicht immer eindeutig. Besonders in mandantenfähigen Systemen wie SAP müssen Buchungskreise, Kostenstellen oder Organisationseinheiten identifiziert und voneinander abgegrenzt werden. Auch innerhalb einzelner Tabellen existieren oft gemeinsame Datenbestände – z. B. gemeinsame Stammdaten wie Kunden- oder Lieferantendaten, die nur teilweise übertragen werden dürfen. Hinzu kommt die rechtliche Komponente: Für welche Daten besteht Aufbewahrungspflicht – und für wen?

  • Datenbank- und Tabellenverständnis

Ein erfolgreicher IT-Carve-out setzt tiefes Wissen über die zugrunde liegenden Datenbanksysteme und Tabellenstrukturen voraus. Die Daten sind in relationalen Strukturen gespeichert – d. h., einzelne Informationen stehen in Beziehung zueinander. Das bedeutet: Wird z. B. eine Verkaufsbeleg-Tabelle extrahiert, müssen auch die zugehörigen Stammdaten, Bewegungsdaten und Customizing-Informationen berücksichtigt werden, um die Daten später lesbar und auswertbar zu halten. Ohne dieses tiefgreifende Verständnis können wichtige Relationen verloren gehen, was die Daten nach der Migration wertlos macht.

  • Datenschutz und DSGVO

Ein besonders sensibler Bereich ist der Datenschutz. Im Zuge eines Carve-outs dürfen nur solche personenbezogenen Daten übernommen werden, für die es einen klar definierten Verwendungszweck gibt – etwa weil sie für den fortgeführten Geschäftsbetrieb erforderlich sind oder unter gesetzliche Aufbewahrungspflichten fallen. In vielen Fällen müssen Daten vor der Übertragung anonymisiert oder pseudonymisiert werden. Bei internationalen Transaktionen sind zudem unterschiedliche Datenschutzanforderungen zu berücksichtigen (z. B. GDPR, CCPA etc.).

  • Umgang mit Legacy-Systemen

Viele der benötigten Informationen liegen nicht in modernen, gut gepflegten Systemen, sondern in sogenannten Legacy-Systemen – also alten Anwendungen, die längst außer Betrieb sind, aber aus Compliance-Gründen nicht gelöscht werden dürfen. Diese Systeme sind oft nicht mehr wartbar, technisch veraltet oder laufen nur noch in virtuellen Umgebungen. Trotzdem müssen auch aus diesen Systemen Daten selektiv extrahiert und entweder an den Käufer übergeben oder revisionssicher archiviert werden. Oft existiert für diese Systeme kaum noch Know-how im Unternehmen – was die Extraktion zusätzlich erschwert.

  • Testbarkeit und Validierung

Nach der Extraktion müssen die Daten vollständig und korrekt sein – denn nach dem Carve-out gibt es keine einfache Möglichkeit, auf das Ursprungssystem zuzugreifen. Das bedeutet: Es sind detaillierte Testläufe, Validierungen mit den Fachabteilungen und automatisierte Prüfverfahren notwendig, um die Vollständigkeit, Konsistenz und Lesbarkeit der übertragenen Daten sicherzustellen. Dies betrifft sowohl strukturierte Daten (z. B. Tabelleninhalte) als auch unstrukturierte Informationen (z. B. Anhänge, Belege oder gescannte Dokumente).

  • Zeit- und Ressourcenmanagement

Carve-out-Projekte stehen häufig unter erheblichem Zeitdruck – etwa wenn sie Bestandteil einer vertraglich fixierten Transaktion sind. Gleichzeitig sind sie ressourcenintensiv und erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen, IT, Datenschutzbeauftragten und Projektmanagern. Oft laufen sie parallel zum Tagesgeschäft, was zusätzliche Kapazitäten bindet und zu Priorisierungskonflikten führen kann.

Fazit:

Ein Carve-out ist für die IT kein Routineeingriff, sondern ein hochkomplexes Großprojekt mit zahlreichen Abhängigkeiten. Der technische Erfolg entscheidet maßgeblich über den wirtschaftlichen und rechtlichen Erfolg der Transaktion. Besonders bei der Trennung und Archivierung von Altsystemen ist spezielles Fachwissen erforderlich – genau hier kommt

Technischer Ablauf eines Carve-outs (ohne Testlauf)

Ein Carve-out in der IT ist ein strukturierter Prozess, bei dem Daten, Systeme und Zugriffsrechte aus einem bestehenden Systemumfeld herausgelöst und entweder archiviert, migriert oder übertragen werden. Besonders in gewachsenen IT-Landschaften mit vielen Abhängigkeiten ist ein methodisches Vorgehen entscheidend.

1. Voranalyse / Systembewertung

  • Identifikation aller betroffenen Systeme (z. B. SAP, DMS, CRM, HR)
  • Abgrenzung des zu extrahierenden Datenumfangs (z. B. Buchungskreise, Mandanten)
  • Prüfung vorhandener Schnittstellen, Datenabhängigkeiten und Eigenentwicklungen
  • Bewertung möglicher technischer Risiken und regulatorischer Vorgaben (z. B. DSGVO)
Ziel: Technisches Verständnis über Umfang, Komplexität und Trennungspotenzial schaffen.

2. Projektplanung und Scoping

Erstellung eines Projektzeitplans mit klaren Verantwortlichkeiten und Meilensteinen
  • Definition des Zielsystems (Archivlösung wie ViewBox, Migration, Käuferübergabe)
  • Festlegung der Datenformate und Archivierungsstandards
  • Abstimmung mit IT, Fachabteilungen, Datenschutz und ggf. Betriebsrat
  • Ziel: Klare Zielsetzung und tragfähige Basis für die Durchführung schaffen.

3. Technische Vorbereitung & Extraktionskonzept

Auswahl geeigneter Extraktionstools oder Programmierung von Exportlogik (z. B. bei SAP ABAP-basiert oder Oracle ODBC-basiert)
  • Definition der zu extrahierenden Tabellen und Datenobjekte inklusive Relationen
  • Einrichtung technischer Zugänge (z. B. Read-Only-Nutzer, Datenbankzugriffe)
  • Konfiguration der Zielstruktur für spätere Archivierung oder Datenübergabe
Ziel: Reibungslose Extraktion sicherstellen – strukturiert, dokumentiert, nachvollziehbar.

4. Produktive Datenextraktion

  • Durchführung der produktiven Datenextraktion zum festgelegten Stichtag
  • Extraktion strukturierter Daten (Tabellen, Belege, Stammdaten) und unstrukturierter Daten (z. B. PDF-Dokumente, Anhänge)
  • Datenverschlüsselung und gesicherte Übertragung an das Zielsystem (z. B. Archiv)
Ziel: Vollständige und sichere Herauslösung der relevanten Daten aus dem Altsystem.

5. Validierung & Qualitätssicherung

  • Technische Prüfung auf Vollständigkeit und Konsistenz (z. B. Plausibilitätsprüfungen, Fremdschlüsselprüfung)
  • Fachliche Prüfung durch definierte Prüfberichte oder definierte Soll-/Ist-Vergleiche
  • Dokumentation der Datenqualität zur Nachweisführung gegenüber Dritten (z. B. Wirtschaftsprüfer)
Ziel: Sicherstellung der Datenintegrität und rechtssicheren Dokumentation.

6. Bereitstellung im Zielsystem / Archivierung

  • Übergabe der Daten an das Archivsystem (z. B. ViewBox mit lesendem Zugriff)
  • Konfiguration von Benutzerrechten, Archivstruktur, Such- und Filterfunktionen
  • Integration von Verfahrensdokumentation und technischen Protokollen
  • Schulung der Archivnutzer (z. B. Rechnungswesen, Steuerabteilung, IT)
Ziel: Nutzbare, langfristig zugängliche und revisionssichere Datenbereitstellung.

7. Projektabschluss & Systemabschaltung

  • Erstellung des Abschlussberichts inkl. Dokumentation aller durchgeführten Schritte
  • Empfehlung zur Stilllegung oder zum kontrollierten Rückbau des Altsystems
  • Übergabe aller technischen Artefakte (Mapping-Tabellen, Logfiles, Prüfprotokolle)
Ziel: Nachvollziehbarer Projektabschluss mit allen regulatorischen und technischen Anforderungen.
Der technische Ablauf eines Carve-outs erfordert fundiertes Systemverständnis, methodisches Vorgehen und ein sicheres Handling sensibler Daten. Auch ohne vorgeschalteten Testlauf ist ein erfolgreicher Carve-out möglich – vorausgesetzt, die Vorbereitungs- und Validierungsphasen sind solide aufgestellt. AvenDATA begleitet Sie dabei mit spezialisierten Tools, erfahrenen Datenbankexperten und einer seit Jahren bewährten Projektmethodik.
AvenDATA hat bereits mehrere hundert Carve-out-Projekte erfolgreich umgesetzt und verfügt über tiefgreifende Erfahrung in der Trennung, Extraktion und Archivierung von Daten aus einer Vielzahl von Systemen – darunter SAP, Oracle, Navision, Legacy-Systeme und viele mehr.

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